Eine Marke vererben
(15.09.2005) zurück
Das Bauchgefühl des Firmengründers für seine Marke lässt sich nur schwer vererben. In den Nachfolgeregelungen wird auf eine systematische Erfassung des Markenwerts in all seinen Facetten meist verzichtet, was zu Wertverlusten führen kann.

Die Nachfolgeregelung ist eines der Themen, das viele Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische Betriebe, beschäftigt. Zahlreiche Unternehmer sehen sich heute und in den kommenden Jahren vor die Frage gestellt, wie und an wen die Geschäftsleitung übergeben werden soll. Dabei kommen neben der Familie zumeist auch Mitarbeiter oder Dritte infrage.
Gleich, wer das Unternehmen letztlich übernimmt: Bei einer solchen Nachfolgeregelung spielen vor allem Anwälte, Steuerberater und die Banken eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Unterstützung werden die personellen und finanziellen fragen geklärt und für die Zukunft vertraglich abgesichert. Sind diese Sachverhalte erstmal juristisch geregelt, scheint die Unternehmensnachfolge für die meisten abgehakt und nur noch eine Frage der störungsfreien Übergabe.
Was jedoch in den meisten Fällen unter einer solchen Nachfolgeregelung besonders leidet, ist die Kontinuität im Tagesgeschäft der Unternehmensführung. Mit neuen Eigentümern kommen häufig neue Manager, andere Ideen sowie fremde Interessen in das Unternehmen, und das Bewährte gilt plötzlich nicht mehr. Darüber hinaus fehlt den Nachfolgern zumeist dieses gewisse Gespür, in jedem Moment die richtige Entscheidung im Sinne des Unternehmens zu treffen, ein Gespür, das die erfolgreichen Firmengründer im Bauch haben.
Und so müssen sich die neuen Entscheidungsträger häufig an theoretischen Bezugsgrößen orientieren, die von der bisherigen Erfolgsgeschichte des Unternehmens völlig abgekoppelt erscheinen. Die Folge sind Irritationen in der Kundschaft, die wiederum die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens nachhaltig gefährden.

Die Marke als Wirtschaftsfaktor
Die Marke bietet höchste Differenzierungswirkung sowie Durchsetzungs- und Wettbewerbskraft im Markt und ermöglicht es, eine spezifische Wertposition nachhaltig und ertragssichernd zu besetzen. Die Kraft jeder Marke entspricht dem kumulierten Ergebnis aller historischen und aktuellen Leistungen des Unternehmers, die unter ihrem Namen die Kundschaft erreichen. Entscheidend für die Stärkung dieser Markenkraft ist Kontinuität und Spezifik sowohl hinsichtlich jeder einzelnen Aktivität als auch über alle Erscheinungsformen der Marke hinweg; d.h. der gesamte Markenauftritt ist durchgängig selbstähnlich. Wird dies über Jahre und Jahrzehnte vom Unternehmen realisiert, bildet sich die Kundschaft aus individuellen Erfahrungen ein kollektives Urteil über die Marke – das positive Vorurteil. Diese Größe konstruiert die aktuelle Markenenergie. Die Kundschaft wird damit zum Energieträger der Marke. In ihr und nicht etwa im Unternehmen ist die Markenenergie gespeichert.
Für das Unternehmen wiederum wird das positive Vorurteil der Kundschaft zur Leistungsverpflichtung. Denn die Kundschaft finanziert die gesamte Wertschöpfungskette nur unter der Bedingung, dass ihre Markenerfahrungen durch die aktuellen Leistungen bekräftigt werden. Und erst mit diesem Rückfluss des Geldes stellt diese Beziehung der zwei Teilsysteme Leistungsträger und Kundschaft ein erfolgreiches Markensystem dar und sichert die nachhaltige Ertragskraft des Unternehmers.

Die Marke vererben
Wie kann dieses komplexe Markensystem, das über lange Zeit zumeist durch Bauchentscheidung in die jeweilige Marktposition geführt wurde, ohne Verlust an Markenenergie ertragssichernd an Nachfolger übertragen werden? Im Unterschied zu juristischen wie finanziellen Problemstellungen kann dieser Vorgang nicht durch Verträge zwischen den betroffenen Parteien sichergestellt werden. Das oben beschriebene Vertrauensverhältnis zwischen Kundschaft und Unternehmen ist durch Freiwilligkeit gekennzeichnet; es bleibt nur solange aufrechterhalten, wie Kunden von den spezifischen Unternehmensleistungen überzeugt sind.
Es gilt also, diese Kundschaft auf eine ihr vertraute Art und Weise im Anschluss an die Unternehmensnachfolge zielsicher an die Marke zu binden und damit zukünftige Wachstumschancen zu bewahren. In diesem Zusammenhang spricht die Markentechnik von „Markenvererbung“ und meint die verlustfreie Übertragung der bis dahin akkumulierten Markenenergie, die für den Fortbestand des Unternehmenserfolgs unabdingbar ist.
Während die jeweilige Unternehmerpersönlichkeit wie z.B. der Firmengründer genau weiß, mit welchen Mitteln und Entscheidungen er die Marke geprägt und sich damit das Vertrauen seiner Kundschaft erarbeitet hat, bleibt im Anschluss an die Nachfolge nur noch die aktuelle Position – das Wie und warum diese Wirkung in der Kundschaft erzielt wurde, kann zumeist nicht im Sinne einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage für die Zukunft weiter gegeben werden.
Doch wie soll eben jenes Bauchgefühl nun zusammengefasst bzw. systematisiert, konserviert und an die nächste Generation vererbt werden? Wie sollen Werte, die die Geschichte einer Marke und ihren wirtschaftlichen Erfolg ausmachen, bewahrt werden? Und das auch noch inmitten eines sich mehr und mehr verschärfenden Wettbewerbs, der Unternehmer tagtäglich zu Anpassung, Veränderung und Restrukturierung drängt.

Hard Facts schaffen
Jede Marke hat über Jahrzehnte ein einzigartiges Leistungs- bzw. Erfolgsmuster entwickelt. Dieses Muster ist im operativen Sinne das Betriebssystem einer Marke – und wird vom Institut für Markentechnik als der Genetische Code der Marke bezeichnet. Als komplexe Wertschöpfungssysteme formen Marken eine Vielzahl von Einzelleistungen zu einem Gesamtsystem und richten dieses auf ihre spezifische Kundschaft aus; dabei werden sämtliche Aktivitäten des Unternehmens innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette integriert.
Aus der Beratungspraxis des Instituts stehen Marken zur Bildung ihres Leistungsmusters weit über 100 Differenzierungsfelder mit jeweils unzähligen spezifischen Ausprägungen zur Verfügung. Jede Marke besetzt dabei für sich einen spezifischen Anteil dieser Felder in einer höchst individuellen Kombination. Diese Komplexität ist sowohl für die Markenenergie und damit die langfristige Bindung der Kundschaft ursächlich als auch für die Wettbewerbs- und Durchsetzungskraft der Marke.
Aufgrund des systemischen Zusammenhangs zwischen den Einzelelementen hat jede Veränderung innerhalb des Genetischen Codes meist keine unmittelbar erkennbaren Auswirkungen auf andere Teilbereiche. Während der für den erfolgreichen Markenaufbau verantwortliche Unternehmer diese Zusammenhänge im Gefühl hatte, wundern sich Nachfolger häufig erst, wenn es schon zu spät ist über die weit reichenden Konsequenzen.
Eine geregelte Unternehmensnachfolge kann somit nur dann erzielt werden, wenn eine exakte Kenntnis des individuellen Leistungs- und Erfolgsmusters der eigenen Marke vorliegt – und somit die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Unternehmensleistungen und Markenenergie in der Kundschaft aufgedeckt wird. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel dort eingesetzt werden, wo sie die maximale Wirkung erzielen. Markenverantwortlichen wird in der Folge ermöglicht, die Marke selbstbewusst und zielsicher zu führen.
Die Analyse des Genetischen Codes legt die einzigartige Struktur individueller Leistungsmuster offen und stellt somit das zentrale Instrument zur Fortsetzung erfolgreicher Kundschaftsbindung und -bildung dar. Je exakter die Kenntnis dieses Erfolgsmusters ist, umso sicherer kann das Bauchgefühl eines erfahrenen Unternehmers in ein Instrumentarium präzise benannter, isolierter und handhabbarer Einzelhandlungen im Unternehmen überführt werden.
Dies bedeutet aber, dass die gesamte Komplexität des Markensystems in Einzelelemente zerlegt werden muss. Dieser Vorgang umfasst sämtliche Unternehmensleistungen, die einen mittelbaren oder unmittelbaren Bezug zur Kundschaft haben – also jeden einzelnen Unternehmensbereich von F&E über Einkauf und Produktion bis zu Marketing und Vertrieb sowie der Kommunikation; wie z.B. Produktcharakteristiken, patentierte Verfahren, einzigartige Rezepturen, besondere Aus- und Weiterbildungssysteme, spezielle Vertriebs- und Distributionsleistungen, Gestaltung der Kommunikation.
Nur sofern diese spezifischen Erfolgsparameter mit dem jeweils dahinter liegenden Leistungsmuster eindeutig definiert sind, können sie auch zukünftig systemtreu zum Tragen kommen. Damit wird der Gefahr einer schleichenden Verwässerung der traditionellen Werte bei der Unternehmensnachfolge ein Riegel vorgeschoben und ihre systemische Entwicklung gefördert. Wenn der Erbe einer Marke jedoch den Genetischen Code seiner Marke ausreichend kennt, kann er die Unternehmensnachfolge anhand objektiver Kriterien steuern.

Klare Vorgaben für alle Bereiche
Die reine Kenntnis des genetischen Codes ermöglicht es dem Unternehmer, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Weiterentwicklung der Marke ertragssichernd zu steuern; allerdings bedarf es eines erheblichen Aufwands, im Tagesgeschäft sämtliche Mitarbeiter im Sinne des Erfolgsmusters zu führen. Die jeweils notwendigen Einzelhandlungen im Unternehmen, die Ursachen für die Wirkung auf der Kundschaftsseite, müssen letztendlich von den Mitarbeitern umgesetzt werden.
Die markenrelevanten Aufgaben in Verbindung mit der jeweiligen Zielsetzung müssen demnach festgeschrieben und formalisiert werden. Zum Schutz vor Missverständnissen und missbräuchlichem Eigenwillen einzelner Mitarbeiter und zur endgültigen Sicherung der Vererbung aller erfolgsrelevanten Einzelhandlungen muss das Betriebssystem in ein arbeitsplatzorientiertes Regelwerk umgesetzt werden.
Erst jetzt kann sich der Gründer mit seinem Gespür für richtig und falsch für Markenkraft stärkende und verletzende Vorgänge beruhigt zurückziehen. Seine Person und seine Erfahrung ist durch einen allgemein gültigen Willen ersetzt worden. Dieser erhebt alle außenrelevanten Einzelhandlungen im Unternehmen in den Rang einer für alle Mitarbeiter gleichermaßen geltenden Verpflichtung. Als Markenverfassung wird sie zur überpersonalen Instanz – prägend und dauerhaft.
Die aufgebaute Markengestalt in der Kundschaft, der Branche und im weiteren Publikum ist das wertvollste Gut eines Unternehmens. Um dieses Gut sicher in andere Hände zu geben, kann im Rahmen der Nachfolgeregelung eine Markenverfassung im Unternehmen verabschiedet werden. Damit wird jeder Arbeitsplatz unmissverständlich in Strukturzusammenhang der Marke eingebunden.
Die Markenverfassung gibt die nötigen „Leitplanken“ für Entscheidungen. Kreativität und Eigeninitiative werden auf diese Weise markendienlich gesteuert und gefördert. Für jeden Arbeitsbereich wird festgelegt, was im Interesse der Markenkraft- Sicherung getan werden muss. Markenführung ist damit nicht länger Ergebnis von langwierigen Geschmacksdiskussionen, persönlichen Präferenzen und subjektiven Entscheidungen. Sie folgt nun dem spezifischen Werdegang, der von der Markenverfassung objektiviert wird.
Die über Jahrzehnte aufgebaute Markenkraft im „Energiespeicher“ Kundschaft wird damit in ihrem Fortbestand optimal gesichert und kann auch in Zukunft zielsicher gestärkt werden.
Die Implementierung kann auch juristisch verbindlich abgesichert werden. Je nach Beeinflussungsmöglichkeit (Übernahme in der Familie durch Dritte) kann die Markenverfassung nun auch Bestandteil der juristischen Verträge werden. Darüber hinaus können Arbeitsverträge die Markenverfassung zum Inhalt haben. Die im Extremfall juristisch sanktionierte Verpflichtung ersetzt so das Bauchgefühl des vererbenden Eigentümers.

Fazit
Häufig sind es Familienunternehmen, die ihre Nachfolger auf diese Weise auch in juristischer Hinsicht verpflichten. Offensichtlich ist in diesen Firmen das Gespür für selbstähnliche Reproduktion besonders ausgeprägt.
Eine ähnliche Selbstverpflichtung bei der Übernahme von Familienunternehmen durch Konzerne hätte so manch eine Marke vor Kannibalisierung und Verwässerung bewahrt. Leider sucht das Management in schwierigen Zeiten eher nach Lösungen, die den Erbenden von jeder Verpflichtung entbinden und somit häufig schwer wiegende Schäden für die Unternehmen hervorrufen.

Mit freundlicher Genehmigung von Marketingjournal (www.marketing-journal.net)


 
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